In unserem Blog war zuletzt wenig Neues zu lesen. Wir waren in der Zeit aber nicht untätig und haben viele neue Produkte in Arbeit, die wir euch in der nächsten Zeit vorstellen möchten. Heute beginnen wir mit etwas außergewöhnlichem.
Tinkerforge beschäftigt sich schon lange mit der Elektromobilität. Auftakt machte das SM!GHT Projekt, bei dem wir uns mit der Sensorik und Elektrofahrzeug-Lademöglichkeiten in Straßenlaternen beschäftigten. Die eigentliche Ladeelektronik kam bei diesen Produkten nicht von uns, aber irgendwie hat uns das seitdem nicht losgelassen. Als dann Ende 2019 die ersten fünf Firmen-Elektrofahrzeuge von uns beschafft wurden, wurde das Thema Ladeelektronik umso interessanter für uns.
Es gibt viele Anbieter von Wallboxen. Der überwiegende Teil wird von größeren Konzernen angeboten. Open Source, Haltbarkeit und Zugriffsmöglichkeiten für den Kunden sind für diese meistens Fremdworte. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Open Source Bastlerprojekte. Es ist beeindruckend was Leute in ihrer Freizeit entwickeln. Unter Produkt- und Sicherheitsaspekten betrachtet, stellen diese aber für uns keine Grundlage dar um damit kommerzielle Produkte zu vertreiben für die wir haften.
Aus diesem Grund haben wir entschieden etwas eigenes machen.
Mit dem EVSE Bricklet (Coming soon) starteten wir mit der Entwicklung eines DIN EN 61851‐1 konformen Ladecontrollers. Über weitere technische Details werden wir in einem weiteren Blogeintrag berichten. Dieser Controller ist das erste Bricklet, welches standalone, d.h. ohne Steuerung über ein Brick, eingesetzt werden kann. Es kann aber auch wie alle anderen Bricklets von einem Brick ferngesteuert werden. Das EVSE Bricklet ermöglicht das Wechselspannungs-Laden (AC) von Elektrofahrzeugen über einen Typ2 Stecker. Wichtig war uns eine hohe Sicherheit, so dass das EVSE Bricklet die Erdung permanent überwacht und das Schütz bei Schaltvorgängen prüft und somit feststellen kann, wenn das Schütz nicht schaltet oder aber "klebt" und somit nicht abschaltet.
Den gesetzlich vorgeschriebenen Schutz vor Gleichspannungs-Fehlerströmen (DC) haben wir über ein zugekauftes Modul realisiert, welches im Fehlerfall einen vorgeschalteten 30mA Typ A Fehlerstromschutzschalter (FI) auslöst. Dies geschieht indem es im DC-Fehlerfall einen AC-Fehlerstrom erzeugt, welches den FI auslöst.
Synergie Effekte gibt es mit unserem Projekt C/C++ Bindings für Mikrocontroller. Wir werden dazu auch noch in einem eigenen Blogeintrag berichten. Erste Informationen und eine Beta gibt es aber in unserem Forum. Zusätzlich veröffentlichen wir zeitnahen unseren ESP32 Brick, welcher wie der Name schon sagt mit einem leistungsstarken Mikrocontroller mit angebundenen WLAN vom Typ Espressif ESP32 (ESP32-WROOM-32E) ausgestattet ist. Infos dazu folgen ebenfalls noch.
Mit diesen ganzen Möglichkeiten haben wir eine vergleichsweise kostengünstige Lösung zur Hand um eine WLAN-fähige Wallbox anbieten zu können, die einen sicheren Betrieb gewährleistet und die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.
Viele Wallboxen setzen auf vergleichsweise dünnwandige ABS Gehäuse. Für unsere ersten Prototypen setzten wir auch auf ABS oder Polycarbonat Gehäuse, wir hatten aber immer das Gefühl das diese qualitativ einen schlechten Eindruck machen. Irgendwann hatten wir dann ein glasfaserverstärktes Polyestergehäuse in der Hand und wussten schnell, dass dies unser Gehäuse ist. Mit Abmessungen von 160mm x 260mm x 91mm wiegt dieses alleine bereits 1,7 kg und besitzt eine Wandstärke von über 6mm. Dieses Gehäuse ist natürlich wasserdicht, UV beständig und besitzt eine extreme Schlagfestigkeit. Um optisch auch etwas zu bieten bringen wir frontseitig eine 1,5mm starke gebogene Edelstahlfront an, die wir bei Bedarf auch kundenspezifisch gravieren können.
Damit war unser "WARP Charger" geboren. WARP steht dabei für "Wall Attached Recharge Point". Im Gegensatz zu vielen anderen Lösungen ist nicht alles auf einer Leiterkarte untergebracht, sondern wir setzen Hutschienenmodule ein. Wir halten dies für sinnvoll, da der Nutzer damit eine gewisse Modularität erhält. Das Schütz ("Relais") einer Wallbox stellt die Stromversorgung für den Ladevorgang zum Elektrofahrzeug her. Hierbei handelt es sich aber um ein mechanisches Bauteil, welches sehr viele Schaltvorgänge bietet. Allerdings ist dieses irgendwann auch einmal defekt. Wenn alles auf einer Leiterkarte untergebracht ist gestaltet sich der Austausch schwierig. Ein Hutschienen-Schütz kann dagegen recht einfach und kostengünstig von einem Elektriker ausgetauscht werden. Viele Wallboxen setzen auf ein 40A Schütz, welches für die auftretenden Ströme von 32A (bei 22kW) ausreichend wäre. Bei 11kW Versionen werden zum Teil sogar noch kleinere Varianten eingesetzt. Unabhängig von der Wallbox-Variante verbauen wir immer ein 4-poliges 63A Hutschienen-Schütz. Wir haben absichtlich dieses Schütz gewählt,
da es für 63A Ströme ausgelegt eine größere Haltbarkeit erwarten lässt.
Den WARP Charger gibt es in drei Varianten: Basic, Smart und Pro. Eine genaue Beschreibung gibt es auf den jeweiligen Shop-Seiten. Aktuell gibt es dazu noch keine Dokumentationsseiten sondern ein Handbuch in Form eines PDFs auf der Shopseite.
Alle drei Varianten verwenden das gleiche Gehäuse, welches frontseitig einen Taster mit blauer Status LED besitzt. Über den Taster kann ein aktiver Ladevorgang abgebrochen werden. Ein ebenfalls verbauter Schlüsselschalter auf der Unterseite der Wallbox kann genutzt werden um die Wallbox außer Betrieb zu setzen. Alle Wallboxvarianten werden als 11kW oder 22kW Modellen angeboten. Hauptunterschied zwischen der 11kW und 22kW Variante ist das verwendete Typ 2 Ladekabel. Bei der 11kW Variante kommt ein Kabel mit 5x2,5mm² Leiterquerschnitt zum Einsatz. Bei der 22kW Variante kommt ein Kabel mit 5x6mm² Leiterquerschnitt zum Einsatz, wodurch das Kabel deutlich dicker ist.
Der WARP Charger Basic ist mit dem EVSE Bricklet ausgestattet, welches im standalone Betrieb verwendet wird. In dieser Variante lädt die Wallbox angeschlossene Fahrzeuge. Status- und Fehlerinformationen werden über die blaue LED ausgegeben. Der Ladestrom der Wallbox wird abhängig von der Stromversorgungszuleitung am EVSE Bricklet mittels interner Schiebeschalter vom Elektriker fest eingestellt.
Der WARP Charger Smart ist zusätzlich mit unserem neuen ESP32 Brick ausgestattet. Über diesen Brick kann die Wallbox über WLAN konfiguriert werden. Der über die Schiebeschalter vorgegebene maximale Ladestrom kann über die Webseite weiter reduziert werden. Somit kann der Nutzer selbst entscheiden ob er sein Fahrzeug gerade langsam oder schnell aufladen möchte. Eine Fernsteuerung der Wallbox per MQTT wird ebenfalls möglich sein. Die Wallbox kann damit in das eigene Hausautomatisationssystem (OpenHAB, FHEM, ioBroker etc.) eingebunden und ferngesteuert werden.
Bei dem WARP Charger Pro baut auf die Smart Variante auf und ist zusätzlich noch mit einem MID geeichter Modbus Stromzähler, welcher über ein RS485 Bricklet 2.0 ausgelesen wird, ausgestattet. Die Webseite der Wallbox stellt die Messergebnisse und Statistiken dazu dar. Der Stromzähler kann über die MQTT Schnittstelle der Wallbox auch ausgelesen werden.
Die Varianten Smart und Pro sind über das Förderprogramm KfW 440 förderfähig. Dabei kann auch die 22kW beschafft werden, diese muss nur vom Elektriker auf 11kW eingestellt werden.
WARP Charger Basic und Smart bieten wir abgesehen von der 11kW und 22kW Variante in zwei Versionen. Einmal mit angeschlossener Stromversorgungsleitung mit CEE Stecker oder ohne Stromversorgungsleitung. Hier kann der Elektriker die Stromversorgung einfach über einen internen Klemmenblock anschließen. Die Variante Pro unterscheidet sich davon. Da noch ein Zähler verbaut wurde, war uns ein direkter Anschluss der Stromversorgungsleitung am Zähler aus Elektrikersicht zu umständlich. Daher liefern wir diese Box immer mit einer 2 Meter langen Stromversorgungsleitung aus. Man kann zwischen offenen Kabelenden und einem Kabel mit CEE Stecker wählen.
Wie immer bei Tinkerforge ist sowohl die Hardware als auch die Software Open-Source. Die Wallboxen können ab sofort vorbestellt werden und werden Anfang Januar 2021 ausgeliefert. Die Software befindet sich aktuell noch in der Entwicklung. Erste Screenshots sind veröffentlicht. Ein Großteil der zuvor genannten Features sind bereits implementiert, allerdings werden wir noch an der Optik arbeiten.
Anfangs werden die Wallboxen nur die zuvor genannten Features bieten. Technisch ist aber deutlich mehr mit der Hardware möglich und wir planen die Software laufend weiterzuentwickeln. Community Beiträge sind sehr gerne gewünscht! Auf unserer Liste steht zum Beispiel die Implementierung eines Lastmanagements zwischen mehreren WARP Chargern.
Wir werden euch mit weiteren Blogeinträgen auf dem Laufenden halten.